Der Kreis der Jahreszeiten

Die Abfolge der Jahreszeiten und der Kreislauf des Lebens haben dazu geführt, dass die Gemeinschaften jedes Jahr zur gleichen Zeit eine Reihe von Traditionen wiederholen, d.h. von der Gemeinschaft glaubwürdig überlieferte Gesten, Handlungen, Zeichen und Symbole.
Bild: Vòschn
Der vòschn, il tradizionale rogo finale. © Bersntoler Kulturinstitut - Istituto culturale mòcheno - Creative Commons Attribuzione Italia 3.0 (CC BY 3.0 IT)

Scheda

Die Beziehungen zu Nachbargemeinden und anderen kulturellen Modellen im Allgemeinen haben besonders in letzter Zeit einerseits zu einer künstlichen Betonung der Unterschiede und andererseits zu deren Aufhebung geführt.

Notwendigerweise gibt es daher verschiedene Elemente und Prozesse, die - bisher glücklicherweise ohne großen Erfolg - dazu neigen, große und kleine Traditionen des Tals zu homogenisieren und aufzuheben. Die wichtigsten und bekanntesten sind zweifellos das Sternsingen und der Karneval der Bètsche.

Der Stern

Während der Weihnachtszeit findet an einigen traditionell festgelegten Abenden in den Dörfern Palù und Fierozzo das Sternsingenritual statt.

Gruppen von männlichen Sängern, die einen großen, an der Spitze eines langen Stabes befestigten Stern mit sich führen, singen vor jedem Haus traditionelle Dreikönigslieder auf Italienisch oder Latein. Die Gruppe bildet sich spontan und einer von ihnen hat die Aufgabe, Spenden für heilige Messen im Gedenken an die Verstorbenen des Dorfes oder für die Bedürfnisse der Kirche zu sammeln.

Die beiden Dörfer des Tals gehören sicherlich zu den Gebieten, in denen das einst in den Alpen weit verbreitete Sternsingen die Tradition eines paraliturgischen Ritual in seiner Kontinuität und Regelmäßigkeit über die Jahrhunderte hinweg bewahrt hat.

Die Familien warten gespannt auf die Gruppe mit dem Stern, deren Ankunft für viele ein Moment der Selbstbesinnung und wehmütiger Erinnerungen an das vergangen Jahr darstellt.

Der Stern von Fierozzo

In Fierozzo gibt es zwei Abende, die dem Sternsingen gewidmet sind: Silvester und der Dreikönigsabend, an denen alle Bauernhöfe besucht werden.

Das Repertoire besteht aus 3 Liedern:

  • Orsù innalziamo un canto [Lasst uns einen Gesang anstimmen],
  • Tre re [Drei Könige],
  • Puer natus.
Der Stern von Palù

In Palù gibt es drei Abende, die dem Sternsingen gewidmet sind: Silvesterabend, an dem die Bauernhöfe von Auserpòch (eingangs des Dorfes) besucht werden, Neujahrsabend, der den Bauernhöfen von Inderpòch (im Innern des Dorfes) vorbehalten ist, und der Abend des Dreikönigstages, der den sieben Bauernhöfen, welche den historischen Hauptkern des Dorfes darstellen, gewidmet ist.

Die 18-jährigen haben die Aufgabe, den Stern zu verziehren und auf dem Weg durch das Dorf zu tragen.

Das traditionelle Repertoire besteht aus 7 Liedern:

  • Per tua somma clemenza [Für deine höchste Barmherzigkeit],
  • Tre re [Drei Könige],
  • Dolce felice notte [Süße, glückliche Nacht],
  • Iddio è benedetto [Gott ist gesegnet],
  • L’unico figlio [Das einzige Kind],
  • Oggi è quel giorno santo [Heute ist jener heilige Tag],
  • Puer natus.

Der Karneval

In der Fersentaler Gemeinschaft beginnt der Karneval unmittelbar nach dem Dreikönigstag und erhält seine Bedeutung dank der Masken (früher wurde einfach ein Schleier benutzt, um das Gesicht zu bedecken), aber vor allem dank des Tanzes: In der Vergangenheit war der Tanz die prinzipielle Gelegenheit, zu der sich die Jugendlichen der Gemeinschaft und die Einwohner der verschiedenen Dörfer treffen konnten.

Die Kontinuität und das Überleben einer Reihe von Gesten, Worten, Haltungen und Handlungen charakterisieren den Karneval, der jedes Jahr am Faschingsdienstag (vòschnto) in Palù stattfindet. Die beiden Hauptfiguren des bètscho und der bètscha, auch "die Alten", vèci, genannt haben sich im Laufe der Zeit etwas verändert, es bleibt jedoch die große Teilnahme und das Bewusstsein, vor allem bei jungen Menschen, dass dieses einzigartige Ritual sowohl alte als auch neue mit der Existenz und Identität der kleinen Gemeinschaft verbundene Werte und Perspektiven symbolisiert.

Die Figuren

Die Hauptmerkmale der Verkleidung des bètscho sind: ein Kopfschmuck aus Ziegenleder, der in zwei Spitzen endet, die mit Anhängern und kleinen Glöckchen verziert sind, ein weißer Kittel aus Hanfstoff, der in der Taille durch einen Ledergürtel gehalten wird, der es erlaubt, einen auffälligen Buckel aus Stroh unter dem Kittel zu verstecken. Der bètscho und de bètscha malen ihre Gesichter schwarz an und tragen einen Stock bzw. einen Besen in der Hand. De bètscha ist einfach als Frau mit einem Hut auf dem Kopf gekleidet. Der òiartroger (der Eiersammler) trägt einen dunklen, etwas verzierten Festtagsanzug, auf den Schultern trägt er einen Kasten (kraks), in den die Eier gelegt werden. Er wird auch teit bzw. Pate genannt.

Ablauf

In den Morgenstunden des Faschingsdienstages verkleiden sich die drei Figuren auf dem höchstgelegenen Bauernhof des Dorfes Vròttn und machen sich sofort auf den Weg von Hof zu Hof, um Fruchtbarkeit und Überfluss zu "säen". Die beiden "Alten" gehen normalerweise schnell und mit großen Sprüngen, während der dritte ihnen in einiger Entfernung folgt, den bequemsten Weg geht und bei den Familien die Eierspenden einsammelt.

Ein wichtiger Moment des Rituals ist der "Tod" des bètscho und der bètscha. Sobald der bètscho auf dem Boden liegt, liest die bètscha sein Testament vor. Dies wiederholt sich für den Tod der bètscha. Das Testament wendet sich an die männlichen und weiblichen volljährig gewordenen (coscrittn) des ganzen Dorfes; de bètsche, die Alten, übernehmen also die Rolle der Eltern aller Kinder der Gemeinschaft. Die Verlesung des Testaments wird mit große Aufmerksamkeit und Heiterkeit verfolgt, denn es findet eine Art Rollentausch statt, bei dem der Familienbesitz des Mädchens dem Jungen überlassen wird und umgekehrt, wobei die traditionellen Regeln der Erbfolge unterlaufen werden. Unmittelbar danach werden Kuchen angeboten, die von den Mädchen der Siedlung, wo am Vorabend die Informationen für das Testament gesammelt worden sind, zubereiteten worden sind.

Der Karnevalsumzug endet bei Sonnenuntergang mit der Verbrennung des Strohbuckels des bètscho und der Testamente. Die ganze Festgemeinde begibt sich dann auf eine Wiese namens Schèrzerbis, wo ein riesiges, zuvor vorbereitetes Feuer (vòschn) angezündet wird.

Weitere Traditionen

Kurz nach Mitternacht beginnt die Fastenzeit, die mit den Osterfeierlichkeiten endet. In diesen Tagen stehen wieder die Eier im Mittelpunkt von Spielen und Dekorationen sowohl für Kinder als auch für Erwachsene.

Der Mai ist dann der Monat der religiösen Prozessionen, Gebete und Pilgerfahrten, wobei letztere oft auch im Monat September stattfinden.

Im Sommer begehen die meisten Dörfer Feste zu Ehren ihrer Schutzheiligen, wobei wiederum der Tanz im Mittelpunkt des Vergnügens steht. Die Namen der letzten drei Monate auf Fersentalerisch sind ein Hinweis auf ehemals wichtige Daten und Feste: schanmikeal (= St. Michael), òllderhaileng (= Allerheiligen) und schantonderer (= St. Andreas).

Als Beleg für die Verbundenheit mit der germanischen Welt feiern die Kinder in einigen Dörfern den heiligen Nikolaus (6. Dezember), den eigentlichen Beginn der Weihnachtszeit.

An den rachmalder, den Tagen vor den drei Hauptfeiertagen (Weihnachten, Silvester und Dreikönigstag), gingen die Menschen nicht in die Wälder. Vor Silvester und dem Dreikönigstag ist bei vielen Familien das millesem Brauch, das darin besteht, mit Gebeten und der Inschrift der Ritenformel "K.M.B." auf den Türbalken der Eingangstür den Schutz des Hauses für das neue Jahr zu erbitten.

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