Scheda
Die Kolonisierung
Die Bevölkerungszunahme, die Europa nach dem Jahr 1000 auszeichnete, drängte viele Familien in den folgenden Jahrhunderten immer noch dazu, bis dahin kaum oder gar nicht bewohnte Gebiete zu kolonisieren.
In dieser Zeit entstanden viele Dörfer auf der Alpensüdseite und auch in verschiedenen Gebieten südlich von Südtirol wurden deutschsprachige Siedlungen gegründet.
Die Karte zeigt die wichtigsten deutschsprachigen Siedlungen im westlichen Venetien und im östlichen Trentino nach dem Jahr 1000.
Metallgewinnung und -verarbeitung
Die Lage des Tals zwischen zwei unterschiedlichen geologischen Formationen, vulkanisch im Norden und metamorph im Süden, hat das Vorkommen von metallischen (Chalkopyrit, Pyrit, ...) und nichtmetallischen (Quarz, Kalzit, Fluorit, ...) Mineralisierungen begünstigt.
Seit prähistorischen Zeiten wurden oberflächliche Eisen- und Kupferadern ausgebeutet und es gab eine intensive Schmelzaktivität. Daher finden sich an zahlreichen Stellen Überreste von Schmelzöfen und Schlackenhalden aus der Zeit 1300 - 1100 vor Christus. Das archäologische Gebiet Acqua Fredda am Redebus-Pass, das frei besichtigt werden kann, ist ein hervorragendes Zeugnis dafür.
Seit 1400 wurden andere Mineralien, wie Silber, Eisen und Fluorit, mit modernen Techniken und spezialisiertem Personal intensiv abgebaut.
Das erste uns bisher bekannte schriftliche Dokument, das die ersten Konzessionen zur Suche und dem Abbau von Mineralien bezeugt, stammt aus dem Jahre 1330 n. Chr.
Die absolute Blütezeit des Bergbaus im Tal geht auf das 16 Jh. zurück. Im Jahr 1504 wurde in Pergine ein Bergbauamt eingerichtet, in dem ein Richter nicht nur alle Bergwerke des Tals verwaltete und regelte, sondern auch die Wälder, die zur Holzversorgung für die Stützen und Gerüste der Stollen und als Brennstoff für die Schmelzöfen verwendet wurden. Das Bergbauamt von Pergine blieb, wenn auch diskontinuierlich, bis ins 19. Jahrhundert in Betrieb.
Ab dem 17. Jahrhundert waren die diversen Versuche von Unternehmen unterschiedlicher Herkunft in der Regel von kurzer Dauer, da es nicht möglich war, mit den Einnahmen die ständig steigenden Kosten zu bestreiten.
Die letzten Bergbauaktivitäten zur Gewinnung von Fluorit in Tingler bei Roveda und in Priglertol bei Fierozzo wurden 1971 endgültig eingestellt.
Der Hof
Die Kolonisierung des Fersentaler Gebietes erfolgte durch die Ansiedlung in Form von Gehöften: Jede Familie erhielt einen Teil des zu rodenden Landes und die Befugnis, alle notwendigen Verbesserungen vorzunehmen, einschließlich des Baus, der Renovierung und der Instandhaltung der verschiedenen Gebäude. Neben den Wiesen und Feldern, die sich im günstigsten Teil des zugewiesenen Gebietes befanden, entstand auf diese Weise der zentrale Kern des maso, Hofs, zu dem das Wohnhaus und der stòll, Stall, gehörten, während in großer Höhe, in der Nähe der Gemeinschaftsweiden, die summerstelder, Gebäude für die Unterbringung des im Sommer weidenden Viehs errichtet wurden.
Nicht nur die Siedler, sondern auch die Feudalherren waren germanischer Sprache und Kultur.
Entwicklung des Hofs
Gab es in den ersten Jahrhunderten der Besiedlung der Gehöfte auch eine gewisse Bewegung bei den Höfen und Familien durch Abwanderungen und einige Übernahmen, so pendelte sich ab dem 16. Jahrhundert die Zahl der Familien ein, die sich hier dauerhaft ansiedelten. Die meisten der heutigen Familien (Oss, Fuchs, Gozzer, Moltrer, Laner, Marchel, Petri, Battisti usw.) können ihre Ursprünge bis in diese Zeit zurückverfolgen.
Der Besitz des Hofes wurde unter den Söhnen aufgeteilt und nur, wenn diese nicht vorhanden waren, auch unter den Töchtern. Ein komplexes Bündel von Strategien, von der hohen Anzahl von Junggesellen bis zu kombinierten Ehen, von der permanenten Auswanderung bis zur saisonalen Auswanderung der Männer, hat der Fersentaler Gemeinschaft in der Vergangenheit eine kontinuierliche Nutzung der vorhandenen Ressourcen ermöglicht.
Heute bilden isolierte Gehöfte jedoch eine Ausnahme, da die kleinen Agglomerationen, die sich im Laufe der Zeit um die ursprünglichen Gehöfte gebildet haben, vorherrschen.
Siedlungen deutschen Typs gab es bis ins 19. Jahrhundert in den Gebieten von Piné (Montagnaga, Miola, Faida, Bedollo, Regnana), von Pergine (Masi Alti S. Caterina, S. Vito) und in der Valsugana (Ronchi, Roncegno).
Bis zum 20. Jahrhundert wurde Fersentalersich auch in den Dörfern Vignola und Falesina gesprochen, an den Hängen der Panarotta zwischen Pergine und dem Fersental.
Zur Zeit gibt es vier Dörfer, die zur Fersentaler Gemeinschaft gehören: Roveda, Frassilongo und Fierozzo auf dem linken Ufer des Wildbachs Fersina und Palù im oberen Teil auf dem rechten Ufer.
Die Architektur des Bauernhofs
Das Zentralgebäude des Hofes wurde immer mit den beiden wichtigsten verfügbaren Rohstoffen gebaut: Holz und Stein. Das Erdgeschoss bestand normalerweise aus Stein, das Obergeschoss wurde im Blockbau gebaut. Was das Dach angeht, so wurde nach dem 18. Jahrhundert das Stroh durch de schintln, mit dünnen Querbalken beschwerte Holzschindeln, ersetzt.
Oftmals lagen im Untergeschoss eines einzigen Gebäude s haus, die Küche, ein oder mehrere Zimmer und daneben der stòll, der Stall, für die verschiedenen Tiere. Im oberen Teil befanden sich der Kornspeicher, die Tenne und, besonders wichtig, de teitsch, die Scheune.
Zum summerstòll, dem Sommerstall, gehörten neben einer kleinen Scheune immer öfter auch ein kleiner Raum, den der Schäfer als Küche nutzte. Neben dem Hof und dem Sommerstall finden wir häufig de milchhit, eine kleine Hütte zur Aufbewahrung der Milch.
Der Filzerhof, ein ländlicher Wohnkomplex von großem ethnografischen Interesse, ist Teil des Bersntoler Museums und kann besichtigt werden.
Die Zeit des Nationalismus
Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermehrten sich auch im Trentino die nationalistischen Tendenzen, welche mit scharfer Stimme einen in Bezug auf Ethnie und Sprache homogenen Nationalstaat forderten, was letztendlich zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte. Auch die kleine deutschsprachige Gemeinschaft des Tals wurde schließlich von den irredentistischen Tendenzen einerseits und den deutschnationalen andererseits überrollt. Die Kirche und die Schule wurden deutschsprachigen Lehrern und Lehrerinnen anvertraut. Nach dem Krieg und mit dem Übergang unserer Region an Italien litt das Tal unter dem Abbruch der alten Kontakte mit dem Gebiet der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie, die durch den saisonalen Wanderhandel besonders stark waren.
Aber während des Faschismus wurde die Situation noch schlimmer: Zuerst entfiel durch die Abschaffung der verschiedenen Gemeinden, die nach S. Orsola eingemeindet wurden (1926), deren jahrhundertealte Autonomie, dann kam die Wirtschaftskrise der 30er Jahre und schließlich überzeugte die Propaganda viele, sich für die sogenannten "Optionen" zu entscheiden, deren Ziel es war, alle "deutschen" Elemente auf italienischem Gebiet nach Deutschland umzusiedeln (1939-1945).
Die Optionen
1939 sah ein italienisch-deutsches Abkommen die vollständige Italianisierung des Südtiroler Gebietes durch eine "Option" für die Umsiedlung in das Deutsche Reich der an diese Nationalität gebundenen Einwohner vor. Obgleich die kleinen germanischen Gemeinden im Trentino nicht zu den im Abkommen vorgesehenen Gebieten zählten, wurde die Option auch auf sie ausgedehnt und 1942 verließen, nach einer skrupellosen Propagandakampagne, etwa 500 Personen, davon mehr als 300 aus Palù, Haus und Hof und wurden nach einem vorläufigen Aufenthalt in einem Flüchtlingslager in Salzburg auf dem böhmischen Land angesiedelt. Einige Familien, die im Flüchtlingslager ihre Entscheidung zu bereuen begannen, wurden sofort nach Schlesien übersiedelt. Fast alle von den Optionen betroffenen Familien kehrten nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen im Mai 1945 auf abenteuerliche Weise ins Tal zurück und litten in vielerlei Hinsicht unter den Folgen ihrer Entscheidung.